In der vorigen Woche bekam ich einen Anruf: Frank Bicker vom VSC Plauen teilte mir mit, dass Gerhard Rehbein gestorben sei. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich seit Jahren zusehends, so dass ihn die Krankheit letztlich niederwarf. Wir verlieren mit ihm einen echten Vollblutschachspieler – einen, dem Schach zu spielen alles bedeutete.
Gerhard Rehbeins gesamter Lebensinhalt konzentrierte sich auf das Schachspiel. Wenn er am Schachbrett saß, saß er wie ein Fels. So habe ich ihn kennengelernt. Die Zigarette zwischen den Fingern war halb abgebrannt, vergessen. Die Idee hatte ihn gepackt. Nichts konnte ihn jetzt davon abhalten, seinen Gegner zu zerdrücken. Der Aschenbecher neben ihm war am Ende des Schachabends halb voll – damals, als er sich das noch erlaubte und es im (Spiel)Lokal noch nicht verboten war. Neben ihm konnte die Welt untergehen, ohne dass er es bemerkte. Allerdings konnte er schon beim nächsten Mal komplett aus der Haut fahren, wenn neben ihm auch nur ein Bonbonpapier knisterte. Dann konnte er sich nicht konzentrieren, kam nicht in die Partie und er funktionierte nicht so, wie er funktionieren wollte. Das hasste er. Dann wurde er laut und die Welt konnte seinetwegen ruhig untergehen.
Sein Spiel musste nicht nur effektiv sein, sondern ästhetisch. Er liebte die Schönheit einer Partie. Leicht zu gewinnen, befriedigte ihn nicht, machte ihn genauso unzufrieden wie seine eigenen Fehler. Lieber unterlag er in einer guten, kompromisslosen Partie am Ende, als dass es langweilig war auf dem Brett. Überhaupt schätzte er die Kompromisslosigkeit – so spielte er und so lebte er auch. Sein streitbarer Charakter ließ ihn immer wieder stolpern, auch nirgends richtig heimisch werden.
Gerhard spielte zweimal jahrelang auch in unserem Verein. Hier wurde er, dem alle Facetten des Schachs lagen, Vereins-, Blitz-, Schnellschach- und Stadtmeister, spielte erfolgreich mit der ersten Mannschaft in der Bezirksliga. Viele Begebenheiten und Anekdoten stehen in Verbindung mit seinem poltrigen Gemüt. Spaßig war es oft, aber auch nicht immer. Und am wenigsten für seinen Gegner, den Unglücksraben, wenn er einen schwächeren Zug machte. Dann nahm sich Gerhard die Zeit, den Kopf zu heben und ihm 10 Sekunden lang in die Augen zu schauen…
(Frank Weller)
Ralf Wander stellte mir freundlicherweise den untenstehenden Artikel der Freien Presse zur Verfügung, den ich euch nicht vorenthalten möchte. Ein Zeitzeuge voller Nostalgie.