Ein erstes Turnier ist sowieso immer ein Überraschungsei – wenn es aber etwas ganz Neues werden soll, wie zum Beispiel ein Nichtaktiventurnier, dann wird es richtig spannend. Nicht nur für die Teilnehmer, die natürlich nicht wissen können, was auf sie zukommt, sondern auch für den Veranstalter.
Die Idee, ein Nichtaktiventurnier in Markneukirchen zu veranstalten und, wenn möglich, auch zu etablieren, fand große Zustimmung im Verein. Wir nahmen uns für die Vorbereitung Zeit, schalteten Anzeigen in den regionalen Amtsblättern, hingen Plakate aus und schrieben eine Ankündigung in die Freie Presse. Im Vorfeld sagte ich einmal zu Claus-Peter, wir müssten damit rechnen, dass nur fünf Teilnehmer kämen und es wäre für mich richtig gut, hätten wir zehn. Es zeigte sich, was im Vereinsschach gang und gäbe ist, trifft auch auf Nichtaktive zu: Genannte Meldetermine haben allenfalls empfehlenden Charakter. Es wäre vielleicht anders, wären wir nicht wir und hätten wir hundertzweiundneunzig Anmeldungen, aber so sind wir das ja gewohnt und freuten uns selbstverständlich auch über Anmeldungen erst zu Turnierbeginn! Damit waren wir ZEHN und es war für mich richtig gut…
Alle erstmal am Start zu haben, ist wie schon mal das Ü-Ei in der Hand zu halten und geschüttelt zu haben, aber immer noch nicht zu wissen, was drin ist. Wie schaut’s mit der Regelkunde aus? Mit Uhr werden auch nicht alle schon gespielt haben und welche Augen macht jemand, dessen Gegner en passant schlägt und er noch nichts davon weiß? Claus-Peters Ausführungen zum Turnierablauf zeichnete glücklicherweise noch keine Verwunderung auf die Gesichter und so ging es in der ersten Runde genüsslich in die Vollen. Ein bisschen Aufregung war schon dabei, es kannten sich ja die wenigsten und wer seinen Gegner nicht kennt, weiß nicht, was seine eigene Leistung wert ist. Bei mir sah es mit der Aufregung nicht minder dramatisch aus, immerhin veranstalten wir ja nicht jeden Tag so ein Turnier. Matthias und Claus-Peter hatten jedoch alle fünf Bretter immer im Blick und konnten helfend eingreifen. Helfend – nicht schlichtend, denn im Gegensatz zu manchem Vereinsschachspieler gab es nie auch nur einen Grant wegzudiskutieren. Klar findet nicht immer jeder seine Mitte, wenn er gerade die Dame vergeigt hat, aber wer freut sich darüber schon? Yin und Yang ist selten so sinnbildlich wie auf dem Schachbrett, und schwarz und weiß ist hier definitiv nicht immer ausgeglichen!
Natürlich kam es auch schon einmal vor, dass ein König per Rochade ins Asyl floh, obwohl er gerade im Schach stand. Oder die Figuren wurden in der falschen Reihenfolge in die Rochade bewegt, aber wen juckt das, wenn sich beide einig sind, dass es so okay ist!
Ein bisschen Schwund trat nach der zweiten Runde auf, als uns ein junger Teilnehmer in unbekannte Richtung verlassen hat und ein Zweiter das Turnier wegen massiver Kopfschmerzattacken abbrechen musste. Trotzdem noch geradzahlig, nur noch vier Bretter – alles hübsch. Jeder konnte fünf Runden spielen, ohne einmal ins Leere zu laufen.
Wir spielten 25-Minuten-Partien, da dies der Zeitplan gut zuließ. Da ja die Bedenkzeit eigentlich nie voll ausgeschöpft wurde, gab es immer reichlich Zeit für Smalltalk und zum Verschnaufen. Die Sonne schien und man war lieber draußen als drinnen. Für Kaffee und Kuchen war gesorgt – dank Matthias‘ Mutti und Dagmar. Ich denke, dass es allgemein als entspannt empfunden wurde, wenn auch fünf Partien natürlich ungewohnt und anstrengend sind.
Am besten kam Jens Veit Günther zurecht. Er gewann sage und schreibe alles. Souverän zog er seine Kreise und fuhr verdient den Turniersieg ein. Ihm folgt in der Tabelle Andreas Johann, der nur gegen Jens Veit Günther verlor. Dritter wurde Denny Remter. Er verlor sowohl gegen den Ersten, als auch gegen den Zweiten. Somit waren bei einem fünfrundigen Turnier die Spitzen gegeneinander dran und damit wurden die ersten drei Plätze ausgekämpft. Das wünscht man sich, da ja fünf Runden oftmals der Makel anhängt, dass die Spitzen nicht gegeneinander gespielt haben.
Bemerkenswert war das Niveau, auf dem gespielt wurde. Es hätte durchaus jeder gegen jeden gewinnen und verlieren können, denn so riesig waren die Unterschiede nicht. Das größte Mako waren meiner Meinung nach die ungewohnten Umstände: die Turnieratmosphäre, die Umgebung, die Aufregung, das Spielen mit der Uhr. Alles Dinge, mit denen umzugehen man lernen kann. Der eine kam eben besser damit zurecht als der andere. Aber möglich wäre alles gewesen. Es war niemand dabei, der nur über rudimentäres Grundwissen verfügte, sondern alles gute und fortgeschrittene Schachspieler. Es kamen so spannende und interessante Partien zustande, dass man sich als Kiebitz gerne drin verlor.
Noch eine kleine Geschichte am Rande, die ich für sehr erwähnenswert halte: Am Anfang sagte ich, dass es ja auch die Möglichkeit des Remisangebots gäbe. Nachdem es in den ersten zehn Partien kein Remis gegeben hatte, wiederholte ich das noch einmal – nahm ich doch an, dass die Regel vielleicht dem einen oder anderen nicht bekannt sei. Weit gefehlt! Keiner der Jungs wollte ein Remis! Alles oder nüschts. Ent oder weder. Das nenn ich Kampfgeist! Nicht eine der gespielten 22 Partien ging unentschieden aus!
Am Ende bleibt unser Wunsch nach einer Wiederholung des Turniers. Die geäußerten Meinungen der Teilnehmer waren sehr positiv. Die Zahl ist ausbaufähig, wäre aber auch in dem Rahmen wieder durchaus okay. Ob ein- oder zweimal im Jahr, das muss jetzt diskutiert werden. Vielleicht ein Turnier und zwei Stammtischabende auf den Rest des Jahres verteilt?
Jedenfalls sind wir beim nächsten Mal schon erfahrener. Damit wird auch der Aufwand überschaubarer. Mein Dank für den schönen Nachmittag gilt vor allem den Leuten, die sich getraut haben, das Ü-Ei überhaupt erst mal anzunehmen. Ich bin schon etwas stolz auf sie und würde gerne wieder was mit ihnen machen. Auch freue ich mich über das Interesse aus dem Verein, denn es kamen so einige vorbei, um mal zu schauen. Und natürlich über Claus-Peter und Matthias, die die Idee eines solchen Turniers sofort aufgegriffen und umgesetzt haben.
Sehr schöne Idee + Umsetzung + Kampfgeist. Vielleicht werden mehr Leute teilnehmen wenn sich rumspricht, wie angenehm deinem Bericht zufolge alles ablief.
Das war wirklich eine gute Idee: die Möglichkeit einfach mal wieder gegen starke Spieler spielen zu können ohne gleich in einen Verein gehen zu müssen. Vielen Dank nochmal an die Veranstalter! Schade, daß es im Herbst aus Zeitgründen nicht wieder geklappt hat. Also freue ich mich auf das nächste Turnier im Frühling 2018!