Ein Nichtaktiven-Schachfest
Zur ähnlichen Zeit wie im vorigen Jahr beim ersten, starteten wir kürzlich einen zweiten Versuch eines Nichtaktiventurniers. Beworben haben wir es in der Markneukirchener Zeitung, dem Adorfer Stadtboten und den Bad Elsteraner Nachrichten, per Internet und Handreichung, Plakaten in Kurkliniken (Danke, Ralf!) und Schulen. Man könnte denken, wir meinten es ernst, so groß war die Promotion. Die Resonanz: bis zum Mittwoch vor dem Termin hatte sich ein einziger Teilnehmer angemeldet – der Vorjahressieger Jens Günther aus Markneukirchen. Am Donnerstagabend standen vier fest. Die ersten Gedanken flipperten zwischen Absage und einem lockeren Schachnachmittag ohne Turnier hin und her. Jedoch bewies sich einmal mehr: Abwarten und Kaffee trinken oder „Man soll den Tag nicht vor dem Schachabend loben“.
Am Freitag führte ich endlos Telefonate und beantwortete Emails. Da waren es dann elf. Und am Samstagabend konnte ich dem schier untröstlichen, weil wegen Krankheit ausgefallenem Claus-Peter gar von 13 Teilnehmern erzählen.
Herrlich war es zu beobachten, wie die Leute aus ihrer ersten Unsicherheit auftauten und miteinander ins Gespräch kamen. Erst mit dem Gegner, dann mit dem Rest. Eine ganze Familie war dabei: Nadja Hänsch mit ihrem Mann Kevin Seifert und ihrem siebenjährigen Sohn Charlie aus Wohlhausen. Papa Markus Gerbeth mit dem neunjährigen Sohn Toni (Bad Elster) wurden von der Mama angemeldet, die selbst auch Schach spielen kann. Sollte sie im nächsten Jahr ihre zwei Besten durch ihre eigene Teilnahme unterstützen, verspreche ich eine Familienwertung!
Dazu kamen junge Männer, Rentner, ehemalige Aktive, von Kollegen Überredete und sogar zwei aus Reichenbach und Waldkirchen Angereiste. Ein richtig kunterbunter Haufen von Schachspielern, die genau das wollten, was wir ihnen boten: eine Plattform zum Schachspielen außerhalb von Vereinen. Gründe, nicht gleich einem Verein beizutreten gibt es bekanntlich viele – ich werde ja auch nicht gleich Fleischer, nur weil ich gerne mal ne Roster esse… Aber mich bei einem Turnier anzumelden, wo ich doch überhaupt nicht einschätzen kann, wie die anderen spielen, erfordert Mut. Wir Vereinsspieler haben ja unsere Wertszahl, die uns abschätzen lässt, wo wir stehen. Ein Nicht-beim-DSV-Gemeldeter hat diese Möglichkeit, seinen Status abzufragen, nicht. Ich bin sehr stolz auf alle, die mitgespielt haben.
Was ist ein guter Schachspieler, was ein schlechter? Es gibt keine objektive Bewertung nach Zeit, Weite oder Höhe, sondern immer nur den Vergleich untereinander. Im Vergleich zu Magnus Carlsen bin ich, weiß Gott, ein schlechter Schachspieler, in meinem Verein brauche ich mich dagegen nicht zu verstecken. Es gibt also nur bessere oder schlechtere Schachspieler als mich. Oder als euch. Oder als Tante Martha. Und trotzdem ich vielleicht in meinem Verein als guter Schachspieler gelte, sagt ein Bundesligist mit Recht, dass ich wohl eher keiner bin. Genau so steht es mit den Turnierteilnehmern am Samstag: Keiner taugt für die Bundesliga, jeder Anfänger würde sie für gute Schachspieler halten. Das, was ich an Partien gesehen habe, war erstaunlich hohes Niveau. Es war kein Anfänger dabei – als Anfänger sehe ich jemanden an, der gerade so die Figuren setzen kann, aber noch nicht weiß, wie ein Spiel gewonnen werden kann, also kein Schachmatt kennt.
Wir gewinnen, weil unsere Gegner Fehler machen. Und zwar größere Fehler als wir. Genauso erging es den Turnierteilnehmern. Weil sie oftmals den Gewinnzug übersahen, ging die Partie verloren. Hätten sie im entscheidenden Augenblick nicht danebengegriffen, wäre es anders ausgegangen. Oftmals folgte auf einen Fehler gleich eine ganze Serie weiterer. Ohne den ersten wäre aber dieser Totalzusammenbruch gar nicht erst gekommen! Wer kennt das von uns Vereinsspielern nicht? Beim Blitzen zum Beispiel? Ich kenn’s gut. Bis auf die vorderen Tabellenplätze hätte man jedenfalls die Platzierungen beliebig tauschen können, denn die Unterschiede waren nicht so groß, wie es den Anschein hat. Zu schämen, dass er schlecht abgeschnitten hat, muss sich niemand. Und ich denke, das hat auch niemand.
Die Tabellenspitze war gut umkämpft, es gab zwischen dem ersten und dem ersten Platz einen heißen Kampf. Die beiden Kontrahenten ließen kaum eine Schwäche spüren. Dass Jens Günther und Christopher Bischoff (Adorf) tatsächlich mit 5,5 Punkten punkt- und wertungsgleich waren, war nicht nur bezeichnend für die Klasse, sondern aus meiner Sicht ein sportlich-schönes Ergebnis. Was gibt es Besseres als zwei erste Plätze?
Manfred Audretsch aus Bad Elster spielt ansonsten mit seiner Frau Schach und sucht seit längerem nach weiteren Schachpartnern. Er war ganz überrascht über seinen dritten Platz, konnte er sich doch genauso wenig einschätzen wie die anderen. Damit waren die Plätze vergeben, es ist jedoch noch lange nicht alles gesagt. Zum Beispiel, dass Charlie und Toni das ganze Turnier durchhielten, Charlie am Ende sogar in der Tabellenmitte auftauchte! Ich denke, dass den Kindern der Spaß nicht verging, das lag an der ausgesprochen lockeren Stimmung. Da wurde nicht um jeden Preis gekämpft, sondern durchaus auch mal „nicht der allerstärkste“ Zug gemacht, weil man seinen Gegner nicht deklassieren wollte. Auch witzige Bemerkungen flogen immer mal während des Spielens hin und her – ganz so, als würde man gerade ein langes Wochenende miteinander verbracht haben – nicht erst eine Stunde. Es wurde auch schon mal vorgesagt oder vor lauter Eifer von außen „reingelangt“, aber das beweist ja eher sympathische Leidenschaft als Unfairness.
Nach den fünf Runden – leider war immer einer spielfrei – waren alle ausgelaugt. Natürlich gab es reichlich Pausen, aber niemand war es bisher gewohnt, fünf Schnellschachpartien zu spielen. Da denke ich, hatte zum Schluss niemand mehr Lust, noch ein paar dranzuhängen. Man darf ja auch nicht vergessen, dass die wenigsten schon einmal mit Uhr gespielt haben und sich alle meine einführenden Worte über fast eine halbe Stunde anhören mussten!
Die Siegerehrung sah für die ersten Drei je ein Fläschchen Sekt und ein Urkündchen vor. Auch die beiden „Kleinen“ bekamen ihre erfolgreiche Teilnahme bestätigt und je einen Fritz-und-fertig-Schachrätselblock … nachgereicht, denn der DPD hat sie nicht rechtzeitig bis zum Samstag herbeigekriegt. Hätte ich eher dran gedacht, sie zu bestellen, hätte ich nun nicht den DPD vorschieben müssen.
Auch an ein paar anderen Dingen muss ich wohl noch arbeiten. Meine eigene Aufregung muss ich besser in den Griff kriegen – aber auch für mich ist so eine Geschichte alles andere als gewohnt! So bin ich bestimmt ein bisschen rot geworden, als alle Teilnehmer gar so voll des Lobes waren.
Dabei waren sie diejenigen, die sich den Nachmittag selber so schön gestaltet haben. Mit ihrer guten Laune und ihrer großen Erleichterung darüber, dass Schach tatsächlich nur ein Spiel ist, bei dem man gewinnen und verlieren kann. Nicht mehr und nicht weniger. Und darüber, dass jeder gut mithalten konnte, ohne dass er hätte denken müssen, er wäre fehl am Platz. Das war in der Tat niemand.
Mir hat sich mit diesem zweiten Nichtaktiventurnier ein großer Wunsch erfüllt und wie beim „Fischer und sin Fru“ generiert sich natürlich sofort der nächste an die Teilnehmer: Kommt doch bitte alle im nächsten Jahr wieder und freut euch aufeinander. Packt einfach wieder dieselbe gute Laune ein wie diesmal und sagt es weiter, wenn es euch wirklich gefallen hat (und ihr mir nicht nur die Taschen vollgeflunkert habt). Ich bring dann wieder Kuchen mit und koche den Kaffee ein bisschen weniger stark…
Ein großer Dank gilt Micha und Frank, die mich super unterstützt haben und besonders auch Markus Fenderl aus Waldkirchen, der nicht erst überredet werden musste, überall helfend einzugreifen und zu schiedsrichten. Ihm war die Freude am Schachnachmittag genauso anzusehen wie uns.
Frank Weller
Die Teilnehmerliste und die Abschlusstabelle kann bei mir gerne angefordert werden. Ich schicke sie dann zu, wer sie nicht mitgenommen hat. Veröffentlichen möchte ich sie im Internet nicht.